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Ein blaues Wunder


Ein blaues Wunder

Ich lese bekanntlich gerne und mag es, mich in die Geschichten der Protagonisten einzufühlen. Ihnen nachzueifern erwies sich letztens als schlechte Idee.

Die Brissago Blauband, die Wachtmeister Studer in den Romanen von Friedrich Glauser raucht, sieht besser aus als sie schmeckt. Foto: AW

Die Brissago Blauband, die Wachtmeister Studer in den Romanen von Friedrich Glauser raucht, sieht besser aus als sie schmeckt. Foto: AW

Während der Lektüre finde ich es jeweils schön, wenn ich mich nicht nur in eine Handlung einfühlen kann, wie letztens beim «Nachtzug nach Lissabon» von Pascal Mercier, das sich arg auf meine Gefühlslage ausgewirkt hat. Während den Wochen, in welchen ich mit der Lektüre beschäftigt war, fühlte ich mich dem portugiesischen Konzept der Saudade – das sich mit «Traurigkeit», «Wehmut», oder «sanfte Melancholie» nur annähernd übersetzen lässt – erstaunlich nahe.

Wie gesagt finde ich es aber nicht nur schön, mich in die Handlung einfühlen zu können. Sondern auch die Handlung nachzuahmen, vom Wunsch getrieben, dem Protagonisten näherzukommen. Gewiss gibt es hier einige Grenzen, die ich im Vorfeld gezogen habe. So eifere ich weder Charles Bukowskis Alter Ego Henry Chinaski nach,  noch möchte ich Hunter S. Thompsons Drogencocktail auf meiner Tagesordnung haben. Dieser begann um 3 Uhr nachmittags mit einer Zigarette und eines Glas Chivas Regal und endete mit Schlaftabletten um 8 Uhr morgens – dazwischen ein wilder Mix jeglicher Substanzen, darunter viel Kokain, viel Alkohol und LSD.

Als ich vor einigen Monaten erstmals einen Roman von Friedrich Glauser las, in welchem sein Protagonist Wachtmeister Studer sich mehrmals und gerne eine Brissago Blauband anzündet, nahm ich mir vor, während der Lektüre des nächsten Glauser-Romans ebenfalls jene Zigarren zu rauchen. Gross war demnach meine Freude, als ich am Bahnhof Visp die Brissago im Regal hinter der Verkäuferin sah und die 6,20 Franken für eine Packung lächelnd aushändigte.

Fachmännisch entfernte ich nach Feierabend den getrockneten Grashalm, rauchte die Brissago an und griff nach Friedrich Glausers drittem Roman «Matto regiert», der aufgrund der autobiografischen Züge – Glauser selbst war wiederholt in psychiatrischen Kliniken interniert – vielfach als Schlüsselroman des Autors betitelt wird. Wenige Seiten und Züge später merkte ich – eigentlich stolzer Raucher –, dass mir die Brissago nicht im Geringsten schmeckte. Enttäuscht drückte ich sie im Aschenbecher aus.

Zumindest dient mir das namensgebende blaue Band der Zigarre nun als Buchzeichen.

Dieser Text erschien ursprünglich in einer kürzeren Version im Walliser Bote vom 25. Juni 2018.

Vorteile des Lokalen


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Wer nichts wird – wird Journalist?


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