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Beschimpfen ist keine Kunst


Beschimpfen ist keine Kunst

Im Rap scheint alles erlaubt zu sein. Was fünf Berner Rapper in ihrem Song gegen Natalie Rickli gemacht haben, ist aber eindeutig zu krass.

Fünf Berner Rapper haben ihr einen unrühmlichen Song gewidmet: Die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Bild: Tages-Anzeiger/Béatrice Devènes

Fünf Berner Rapper haben ihr einen unrühmlichen Song gewidmet: Die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Bild: Tages-Anzeiger/Béatrice Devènes

Fünf Berner Rapper wurden in der vergangenen Woche von einem Berner Regionalgericht wegen Beschimpfung der SVP-Nationalrätin Natalie Rickli zu einer bedingten Geldstrafe von «einigen Hundert Franken» verurteilt. Angeklagt waren die fünf Rapper wegen einem Song mit dem Titel «Natalie Rikkli». Darin wird die Zürcher SVP-Nationalrätin von den Rappern zu Oralverkehr aufgefordert, wiederholt herabgesetzt und mit Schimpfwörtern eingedeckt. Fast vier Minuten lang.

Beschimpfungen und verbale Demütigungen sind im Rap eigentlich nichts Ungewöhnliches: «Rap ist nunmal Competition, und wenn ihr Rapper ein ruhiges Hobby wollt, dann geht fischen», heisst es in einem Song des deutschen Rappers Samy Deluxe. Er fasst damit ziemlich gut die Prämissen des verbalen Schlagabtauschs zweier Performer, des sogenannten Battle-Raps, zusammen: 1. Es kann hart zu und her gehen, oftmals bis weit unter die Gürtellinie. Und 2.: Es handelt sich um eine Angelegenheit der Subkultur, also um etwas, das unter Ausschluss einer breiten Öffentlichkeit geschieht.

«Battlen ist ein Kampfsport, den du fernab davon machen kannst, wie gross deine Muskeln sind», erklärte der deutsche Rapper Juse Ju in einem Interview. Es gebe keine andere Sportart, in welcher Kreativität und Aggression gleichzeitig so wichtig sind: Das gegenseitige Niedermachen soll Spass machen; den Rappern, aber auch dem Publikum.

Die Rapper, die sich gegenseitig den Rest geben, stehen immer auf derselben Bühne; beide Teilnehmer wissen nicht nur, wie sie ihr Gegenüber möglichst kreativ oder übel beleidigen können, sie sind auch darauf gefasst, dass ihnen während der festgelegten Zeit fast alles um die Ohren gehauen werden kann: Reime, die einen zum Lachen bringen, die aber auch aufs ins Innerste der Privatsphäre zielen können.

Aus dem Schutz der Subkultur heraus

Verbote gibt es in dieser Subkultur keine. Wenn Grenzen überschritten werden, kommt es gelegentlich vor, dass Reime aus Raps auch von der Szene kontrovers diskutiert werden. Wenn etwa ein Rapper die schlechte Musik seines Gegenübers als Grund für den Tod seines alkoholkranken Vaters nennt. Besonders kontrovers diskutiert wurde zuletzt der Angriff einer deutschen Rapperin auf ihren muslimischen Gegner, in dem es hiess, sie gehe mit ihm in die Moschee, «aber nur wenn du mich auf dem Gebetsteppich fickst.» Diese Zeilen führten selbst unter hartgesottenen Battle-Rap-Fans zu einer Kontroverse über die Grenzen des Erlaubten.

Das Lied der Berner Rapper scheint nun auch ein solcher Battle Rap zu sein. Aber das stimmt nicht. Der Song war keine Angelegenheit der Subkultur: Rickli ist keine Rapperin, sie stand auch nicht auf einer Bühne mit den Rappern, wurde aber dennoch aufs Übelste beschimpft.

Die fünf Rapper haben sich mit ihrem «Rikkli»-Track denn auch nicht an ihre eigene Subkultur, sondern eindeutig an ein breites Publikum ausserhalb der Rap-Szene gewandt: Der Song erschien 2014 auf einem Gratis-Mixtape und später auf einer populären Videoplattform und ist auch heute, eine Woche nach dem Urteil, noch im Internet abrufbar.

Nicht der erste Song gegen Politiker

Gewiss, in den USA bekommen die Präsidenten schon länger ihr Fett ab (etwa in «Fuck Donald Trump» von YG), in Frankreich ebenfalls («Jacques Chirac» von La Fouine) und auch in Deutschland wird regelmässig verbal gegen Politiker geschossen. Bushido beispielsweise wurde wegen seiner Strophe im Song «Stress ohne Grund» der Volksverhetzung, Beleidigung und Gewaltdarstellung angeklagt. Es waren die im Text angesprochenen Politiker Klaus Wowereit und Serkan Tören, die Anzeige erstattet hatten. Die Klage wurde jedoch mit Verweis auf die Kunstfreiheit abgewiesen.

Auch in der Schweiz gab es in der Vergangenheit bereits mehrere Songs, in denen Rapper übel gegen Politiker schossen. Der Westschweizer Stress und seine Deutschschweizer Kollegen Greis und Bligg rappten 2005 auf «Fuck Blocher» mit drastischen Formulierungen gegen den damaligen Bundesrat und seinen Kollegen Hans-Rudolf Merz. Die SVP forderte Stress dazu auf, sich öffentlich dafür zu entschuldigen. Davon wollte Stress aber nichts wissen: Zwei Jahre nach «Fuck Blocher» legte er mit dem Lied «Mais Où» nochmals nach.

In beiden Stress-Songs gegen Blocher und die SVP findet sich allerlei Explizites aus dem Bereich des Sexuellen, aber ohne, dass dies als Aufforderung zur Gewalt verstanden werden kann. Auch dies disqualifiziert den Song der fünf Berner Rapper, der sich letztlich in seiner plumpen Direktheit, der blossen Provokation und stumpfen Beschimpfungen erschöpft. Nach dem Urteil des Berner Gerichts kann dafür keine Kunstfreiheit in Anspruch genommen werden. Und das ist gut so.

Dieser Kommentar erschien erstmals am 14. September 2017 im Tages-Anzeiger.

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