«Trump kann extrem charmant sein»
Wie tickt der US-Präsident abseits des Scheinwerferlichts? Antworten von Ashley Parker, die für die «Washington Post» aus dem Weissen Haus berichtet.
Wie unterscheidet sich Donald Trump im privaten Kontakt von Donald Trump, den man vom TV oder von Twitter kennt?
Ich habe ihn einige Male persönlich getroffen. Klar, er hat es auch mich spüren lassen, als er über einen Artikel wütend war. Aber er kann extrem charmant und charismatisch sein. Auch mit Personen, die er tagtäglich angreift. Er weiss über das Leben der Reporter Bescheid und fragt auch gerne nach. Eine andere Sache ist, dass er immer versucht, diejenige Person, die vor ihm steht, für sich zu gewinnen. Das kann genauso gut eine Menschenmenge in Arizona sein, vor welcher er über Immigration spricht, als auch zwei Reporter im Oval Office.
Was halten Sie von Donald Trumps ständigen Attacken gegen die Medien?
Ich glaube nicht, dass sich viele von uns Reportern davon in ihrer Arbeit beeinflussen lassen. Ebenso denke ich aber, dass die rastlosen Attacken ziemlich beunruhigend sind. Vor allem, als er einige Reporter während seiner Kampagne namentlich nannte. Vielen meiner Freunde, die als TV-Korrespondenten arbeiten, wurden von ihrem Sender eigens Sicherheitskräfte bereitgestellt. Ausserdem denke ich, dass es für unsere Gesellschaft und für die Demokratie sehr gefährlich ist, das Vertrauen in die Medien unnötigerweise zu untergraben.
Inwiefern hat Sie Donald Trump als Präsident überrascht?
Am meisten überrascht hat mich, wie wenig er legislativ erreicht hat. Alle Politiker kommen nach Washington und sagen, dass sie Washington verändern wollen oder, wie Trump es gesagt hat: den Sumpf trockenlegen. Doch er hat weder mit seiner eigenen Partei noch mit den Demokraten etwas zustande gebracht.
Verglichen mit vorhergehenden Regierungen hat es in Trumps Regierung sehr viele personelle Wechsel gegeben. Haben diese Ihre Arbeit beeinflusst?
Es hat vor allem den Freitag viel stressiger gemacht. Fast jeden Freitag gibt es grundlegende Umgestaltungen in der Regierung. Entweder wird jemand gefeuert, oder jemand gibt seinen Rücktritt bekannt. Das erschwert uns die Arbeit mit unseren Quellen. Denn sobald man mehr oder weniger den Überblick über die Rolle und Arbeit eines Mitarbeiters hat, ist er nicht mehr da. Aber im Allgemeinen ändert sich nicht viel.
Steve Bannon wurde als «Darth Vader» der Trump-Regierung bezeichnet, ein Spitzname, den er auch für sich selbst benutzte. Was halten Sie von diesem Übernamen?
Es gab noch viel schrecklichere Bezeichnungen. Doch im Gegensatz zum Grossteil der Menschen liebte er das. Er denkt, dass es nichts Besseres gibt, als in diesem «Fürst der Dunkelheit»-Schema zu sein. Ich denke, dass sicher auch Wahres dran ist: Er sieht sich selbst als zerstörerische Kraft und Revolutionär, der das politische System nach seiner Ideologie umgestalten möchte. Er ist boshaft und intrigant.
Sie haben durch Ihre erstaunte Mimik, die Sie auf die Äusserung von Ex-Pressesprecher Sean Spicer zu Assad und zum Holocaust zeigten, viel Aufmerksamkeit erlangt. Werden Sie nun häufiger erkannt?
Es hat keinen Einfluss auf meinen Job, ausser dass ich mir seitdem jederzeit meiner Mimik bewusst sein möchte. Die Reporter des Weissen Hauses werden im Allgemeinen häufiger erkannt. Zumindest diejenigen, die im Fernsehen sind. Es hat einfach damit zu tun, dass alle von Donald Trump und seiner Verwaltung besessen sind und alles wissen wollen. Viele sehen dies wie eine Art Seifenoper, in der die Reporter ebenfalls kleine Gastauftritte haben.
Wie war es, mit jemandem arbeiten zu müssen, der nachweislich Unwahrheiten als «Fakten» präsentiert?
Ich hatte eine gute Beziehung zu Sean Spicer, bevor er ins Weisse Haus ging. Die Pressesprecher wählen die Reporter nicht aus, die über sie berichten, und wir Reporter können uns die Pressesprecher nicht aussuchen. Sean Spicer belog an seinem ersten Briefing die Presse, obwohl die «Fakten» nachweislich falsch waren. Also hat die Zusammenarbeit mit ihm auf dem falschen Fuss angefangen. Das hat es für ihn nicht einfacher gemacht, das Vertrauen der Medien zu gewinnen.
Worin unterscheidet sich die Arbeit mit der Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders von der Arbeit mit ihrem Vorgänger Sean Spicer?
Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Zuschauer öffentlich sehen, dass Sarah Huckabee Sanders auf dem Podium viel ruhiger ist. Sie scheint das Briefing nicht ganz so persönlich zu nehmen wie Sean.
Anthony Scaramucci blieb nur zehn Tage als Kommunikationsdirektor des Weissen Hauses im Amt. Haben Sie ihn überhaupt getroffen?
Das habe ich! Es gab diesen einen unvergesslichen Tag, als er ein Dutzend spontane Pressekonferenzen in der Einfahrt des Weissen Hauses gehalten hat und drohte, alle Mitarbeiter des Weissen Hauses zu feuern, um die undichte Stelle in der Regierung zu stopfen.
Der ehemalige Kommunikationsdirektor des Weissen Hauses, Anthony Scaramucci, wird von Ashley Parker interviewt.
Was hat seine Nachfolgerin Hope Hicks, was Anthony Scaramucci nicht hatte?
Sie sind sehr unterschiedliche Personen. Hope Hicks ist unglaublich gut in dem, was sie tut. Sie ist diskret, arbeitet viel im Hintergrund und hat das Unmögliche geschafft: Das Vertrauen, die Loyalität und den Respekt des Präsidenten zu bekommen. Sie hat aber auch eine unglaubliche Glaubwürdigkeit bei den Reportern. Sie ist in der Lage, mit beiden Lagern zu arbeiten.
Dieses Interview erschien erstmals am 24. Oktober 2017 im Tages-Anzeiger.