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Der Social-Media-Star unter Schweizer Jugendlichen


Der Social-Media-Star unter Schweizer Jugendlichen

Wie sich der 18-jährige Berner Gymnasiast Gabirano in nur drei Jahren eine riesige Fanbase aufbaute.

Hat sein Arbeitsgerät eigentlich immer dabei: Social-Media-Star Gabirano und sein Smartphone. Bild: Yxterix AG

Hat sein Arbeitsgerät eigentlich immer dabei: Social-Media-Star Gabirano und sein Smartphone. Bild: Yxterix AG

Ob man Gabirano kennt oder nicht, scheint in erster Linie eine Frage des Alters zu sein. Dem Gros der Teenager und Jugendlichen muss man den 18-Jährigen nicht mehr vorstellen. Sie haben ihn die ganze Zeit dabei. Nicht direkt, aber über die sozialen Netzwerke, in welchen Gabirano seine Persiflagen auf das Alltagsleben postet. Bei Instagram hat der Social-Media-Star mehr als 160'000 Abonnenten, auf Facebook kommt er immerhin auf fast 50'000 Likes. Viele Jugendlichen fühlen sich von ihm unterhalten und sehen in Gabirano eine Identifikationsfigur, trotz – oder gerade wegen seines oft infantilen Humors.

Die ersten Videos postete Gabirano auf der Plattform Vine, die Videos mit einer Länge von bis zu 6 Sekunden erlaubte. Zu dieser Zeit unterhielt er seine Follower noch auf Englisch, «damit mich alle verstehen», sagt Gabirano, der die ersten fünf Jahre seiner Kindheit in Äthiopien verbracht hat. Doch wie konnte sich ein Gymnasiast, der sein erstes Instagram-Video im März 2014 hochgeladen hat, in nur drei Jahren eine solch enorme Fanbase aufbauen?

Momentan ist es noch ein Hobby

Indem er auf humorvolle Art und Weise Alltagssituationen parodiert, mit welchen sich die Jugendlichen oft identifizieren können. Sei es die Schlange im Supermarkt hinter einer sehr gesprächigen Dame älteren Semesters; die Differenzen mit der Mutter, die sich über das «Hotel Mama»-Verhalten ihres Sohnes oder die neuen, teuren Turnschuhe an seinen Füssen aufregt; oder einfach nur überspitzte Situationen aus dem Teenagerleben. Die Inspiration für seine Videos komme aus seinem Alltag, aus dem Internet, aus Filmen. «Und die Ideen kommen dann, wenn mir langweilig ist», sagt er und lacht.

Moma I love you! ??????

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Die Rollen in seinen Videos spielt der 18-Jährige generell alle selbst. Mal mit Kopftuch, mal mit Perücke spielt er Frauenrollen. Accessoires wie Baseballkappe, Sonnenbrille oder sogar Kissen helfen dem Zuschauer, die verschiedenen Charaktere auseinanderzuhalten. Gerade die Brille kann als Unterscheidungsmerkmal zwischen Lehrperson und Schüler helfen. Mit den simpelsten Utensilien schlüpft Gabirano in Rollen, denen er vor allem mit unterschiedlicher Mimik und Gestik Leben einhaucht. Auftritte anderer Personen sind höchst selten. Einzig seine Schwester und wenige seiner Freunde sind in Kurzauftritten zu sehen. Zu seinen Mitteln gehören Überspitzung, Nachahmung – und eine gehörige Portion Selbstironie.

Letzthin hat sich Gabirano in einem Video darüber enerviert, dass er Dutzende Nachrichten erhalten habe, wieso er auf Instagram nichts mehr poste. Es sei doch nicht schlimm, dass er seit einer Woche keinen Comedy-Post mehr online gestellt habe. Wird ihm der Druck, ständig liefern zu müssen, mittlerweile zu viel? «Nein», sagt er, «aber es ist schon so, dass ich Nachrichten erhalte, wenn ich mal länger nicht aktiv war. Das überspitzte Video habe ich nur online gestellt, damit ich nicht auf jede Nachricht einzeln antworten muss.» Es sei für ihn immer noch ein Hobby, und die besten Videos könne er halt dann machen, wenn er Lust dazu habe. «Erzwingen darf man es nicht.»

Durch Dreisprachigkeit gefordert

Gabirano hat dank der Stelle seines Vaters, der als Diplomat in der Schweiz und in afrikanischen Ländern tätig war, schon einiges von der Welt gesehen. Nach Äthiopien, einem Abstecher in Zürich und anschliessend in Burundi, dem Heimatland seiner Mutter, ging er auch in Bern in die französische Schule. Daher rührt auch seine Mehrsprachigkeit, die sich auf den verschiedenen Profilen Gabiranos manifestiert.

Waren seine ersten Instagram-Videos noch ausschliesslich auf Englisch, hat er sich später für die schweizerdeutsche Sprache entschieden – mit Erfolg: Seit dem ersten schweizerdeutschen Post gab es in puncto Follower kein Halten mehr. «Für mich war es einfacher, meine Follower auf Mundart zu unterhalten, und auch von meinen Kollegen kam ausschliesslich positives Feedback», sagt er.

Im November letzten Jahres versuchte er sich auch auf Französisch. «Von meinen Freunden aus der französischen Schule und auch von der Familie kam die Bitte, doch mal etwas Verständliches zu machen», sagt er. Sein erstes Video wurde fast 44'000-mal angesehen, der Grosserfolg blieb jedoch aus. Die knapp 6500 Follower, die aus einem anderen Jugendlichen schon fast einen Internet-Star machen würden, dümpeln für seine Verhältnisse dahin. Es sei jedoch eher ein «Hobbyprojekt des Hobbyprojekts», sagt Gabirano. «Auf meiner französischen Seite bin ich weniger aktiv und habe auch nichts Konkretes geplant.»

Sortie en soirée

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Auf Social Media zu bestehen, ist nicht einfach

Die Schweiz hat schon einige Jugendliche gesehen, die mit ihren komödiantischen Videos zu Stars auf sozialen Netzwerken wurden. Der albanischstämmige Bendrit Bajra überspitzte die Unterschiede in der Erziehung zwischen Schweizern und Ausländern, Rash Sakem lebte während seiner Kindheit in Kamerun und verarbeitete den Kulturschock schimpfend-ironisch auf Facebook, und Zeki Bulgurcu postet auf seiner Instagram-Seite Swissmeme seit 2013 täglich bis zu vier Memes auf Schweizerdeutsch. «Mir ist aufgefallen, dass noch niemand Memes auf Schweizerdeutsch gemacht hat, also habe ich das übernommen», sagte Zeki der «Basler Zeitung».

Doch der Erfolg der Social-Media-Stars währt nicht ewig. Bendrit arbeitet wieder als Autoverkäufer, in dem Beruf, den er erlernt hat. Rash Juniors Auftritte werden seltener, oder sorgen zumindest für weniger Furore. Wie geht Gabirano damit um, dass sein Erfolg womöglich auch nicht ewig dauern wird? «Darüber mache ich mir nur selten Gedanken», sagt er. Es sei sein Ziel, mit der Comedy weiterfahren zu können.

Viele träumen davon: Mit dem Hobby Geld verdienen

Im Moment sieht es gar nicht so schlecht aus. Mit seinem Hobby und dem damit einhergehenden Internetruhm kann der 18-Jährige auch in der Realität Geld verdienen: Ein Werbevertrag mit Fanta wurde von der Social-Media-Agentur Yxterix, von der er gemanagt wird, eingefädelt, eine kleine Tour als Stand-up-Comedian wird im Oktober beginnen. Die Auftrittsorte konnten seine Fans aktiv mitbestimmen. In einem ersten Schritt konnten diese Städtevorschläge einreichen. Über ein Online-Voting wurden die sieben Schweizer Städte, in denen Gabirano auftreten wird, schliesslich auserkoren.

Auch für die Blutstammzellspende hat Gabirano ein Video gemacht: «Das war aber ein Herzensprojekt, da die Kollegin eines Freundes an Leukämie erkrankt ist.» Nutzt er seine Berühmtheit, um wichtige Themen anzusprechen, oder spricht er wichtige Themen an, weil er eine Vorbildfunktion erfüllen muss? Er sei sich dieser Rolle, in die er durch seinen Berühmtheit hineingeraten ist, auf jeden Fall bewusst. Trotzdem mache er alles so wie bisher: «Vor allem mein Snapchat-Profil ist richtig schlimm, da sieht man mich häufig im Ausgang», sagt er. Für seine Fans trägt dies wohl eher zur stärkeren Identifikation bei, zu sehen, dass ihr Star dasselbe Leben führt wie sie.

Vom Snowboarder zum Social-Media-Star

Wenn Gabirano durch die Strassen Berns oder Zürichs läuft, schauen ihn die Leute nicht nur wegen seiner Grösse (2,06 Meter) an, sondern vor allem auch, weil sie ihren Star erkennen. «Den Kontakt mit meinen Fans schätze ich sehr, ich weiss ja auch, dass ich ihnen alles zu verdanken habe.» Manchmal wird es ihm trotzdem zu viel. Vor allem, wenn er Zeit mit seinen Freunden verbringt, weist er einige seiner Fans freundlich zurück. «Einfach, damit ich die Zeit mit meinen Freunden geniessen kann und wir nicht ständig gestört werden. In diesen Momenten stört es mich, weil ich weiss, dass es meine Freunde stört», sagt er. Er vertröstet seine Fans in diesen Momenten gerne auf einen späteren Zeitpunkt. Trotzdem könne er sich immer noch problemlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen. «Und falls ich wirklich eine ruhige Zeit verbringen möchte, gehe ich einfach in die Romandie», sagt er und lacht.

Gabirano legt zurzeit am Gymnasium Hofwil in Münchenbuchsee seine Maturaprüfungen ab. Die schriftlichen hat er bereits hinter sich, die mündlichen fangen nächste Woche an. Zuvor war er als Snowboarder in der Förderklasse des Gymnasiums gewesen, bis 2013 drei Brüche des linken Schlüsselbeins seine Sportlerkarriere stoppten. Enttäuscht war er darüber nicht: «Ich war froh! Ich hatte gemerkt, dass ich das gar nicht wirklich wollte.»

Falls er die Matura bestehen sollte, möchte er sich ein Jahr Zeit nehmen, um voll auf die Comedy-Karte zu setzen. Er möchte herausfinden, ob er seinen Lebensunterhalt mit seinem Lebenstraum überhaupt finanzieren kann und ob Zukunftsperspektiven existieren. Einen Plan B habe er momentan nicht. «Ich wüsste gerade ehrlich gesagt nicht, was ich überhaupt studieren möchte.»

Dieser Text erschien ursprünglich am 28. Juni 2017 im Tages-Anzeiger.

 

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