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Deus ex Machina


Deus ex Machina

Ein ehemaliger Google-Mitarbeiter hat eine Kirche gegründet. Die künstliche Intelligenz wird darin zur Gottheit erhoben.

Entwickler selbstlenkender Autos, Multimillionär und nun Kirchenoberhaupt: Anthony Levandowski hat die KI-Kirche Way of the Future ins Leben gerufen. Bild: PD

Entwickler selbstlenkender Autos, Multimillionär und nun Kirchenoberhaupt: Anthony Levandowski hat die KI-Kirche Way of the Future ins Leben gerufen. Bild: PD

«Mach dir deine eigenen Götter und unterlasse es, dich mit einer schnöden Religion zu beflecken.» Was der griechische Philosoph Epikur sagte, hat Anthony Levandowski wortwörtlich genommen: einen Deus ex Machina, den Gott aus der Maschine erschaffen.

Anthony Levandowski gehörte zur Elite im Silicon Valley, arbeitete für Google am Online-Dienst Street View und entwickelte parallel dazu selbstlenkende Autos – für Google, aber auch selbstständig. Seinen Arbeitsplatz räumte er Anfang 2016, um das Unternehmen Otto mitzugründen, das ebenfalls autonome Autos und Lastwagen entwickelt. Dieses verkaufte er nur sieben Monate später für rund 630 Millionen Franken an Uber.

An finanziellen Mitteln wird es Anthony Levandowski dank den Verkäufen seiner Unternehmen an die Branchenriesen Google und Uber nicht mangeln dürfen. Levandowski macht sich Gedanken zur Zukunft, dem Übergang der Alleinverantwortung des Menschen über den Planeten in die Hände der Zusammenarbeit von Mensch und «Maschine» und zur Integration ebendieser Maschinen in die Gesellschaft.

Bereits 2015 wurde die «Kirchengemeinschaft» Way of the Future von Levandowski gegründet. Wie das Technologie-Magazin «Wired» herausfand, ist dessen eingetragener Zweck nichts Geringeres, als «die Verwirklichung einer Gottheit auf der Grundlage künstlicher Intelligenz (KI) zu entwickeln und zu fördern.» Im Interview mit «Wired» bestätigte Levandowski sein Vorhaben: «Was in Zukunft geschaffen wird, wird wahrhaftig ein Gott sein. Wir reden nicht von einem Gott, der Blitze oder Wirbelstürme auf die Erde schickt. Aber wenn etwas eine Milliarde Mal klüger ist als der klügste Mensch, wie soll man es anders nennen?»

Ein Evangelium namens «Bedienungsanleitung»

Im Gegensatz zu anderen Religionen sollen die Menschen mit Levandowskis Gott «sprechen und davon ausgehen können, dass er wirklich zuhört». Als zentrales Nervensystem soll das Internet fungieren, die digitalen Sinnesorgane finden sich in der Summe aller Sensoren und Smartphones und die Rechenzentren dieser Welt sollen das Gehirn und Gedächtnis bilden. So zumindest stellt sich Levandowski seinen Gott der und aus der künstlichen Intelligenz vor.

Die niederländische Softwarekünstlerin und Autorin Marloes de Valk setzt sich kritisch mit künstlicher Intelligenz auseinander und kritisiert die Erwartung einiger Forscher, die eine KI vorhersagen, die den Menschen übertreffen könnte: «Die extremste Form dieses Glaubens ist eine Kirche namens Way of the Future, die diesen Gott der künstlichen Intelligenz tatsächlich erwartet und Vorbereitungen dafür trifft. Das ist schon beunruhigend», sagte sie kürzlich in der Kulturzeit auf ARD.

Mit ihrer Kritik ist sie allerdings nicht alleine. Auch der australische Informatiker und Kognitionswissenschaftler Rodney Brooks, der jahrelang das Forschungslabor zu künstlicher Intelligenz am MIT in Boston betreute, sieht den von Levandowski erwarteten Entwicklungen kritisch entgegen. In seinem Essay «Die sieben Todsünden der Prognosen über die Zukunft der KI» zeigt er – ohne auf Levandowski Bezug zu nehmen – die Falschannahmen in Bezug auf die KI auf.

Levandowskis Kirche ist oder wird ausgestattet mit allem, was eine Kirche eben so braucht: Ihm als Kirchenoberhaupt auf Lebzeiten (er kann gegen seinen Willen nicht aus dem Amt des Dekans und Anführers entfernt werden) und einer Art Evangelium namens «The Manual» («Bedienungsanleitung»). Eine Liturgie möchte der 38-Jährige noch schreiben und auch nach einem Gotteshaus soll er sich umsehen.

Aktuell verhält es sich mit seinem Gott aber wie mit jedem anderen: Gerade viel ist davon nicht zu sehen.

Dieser Artikel erschien erstmals am 23. Februar 2018 im Tages-Anzeiger.

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