«Keine Blase, aber trotzdem ein Risiko»
Mit Kryptowährungen Geld machen? Experte Daniel Diemers über Chancen und Risiken.
Ein «Magazin»-Autor hat 500 Schweizer Franken in die Kryptowährung Ether investiert und konnte nach eineinhalb Jahren über 60'000 Franken auf sein «echtes» Konto überweisen. Wie aussergewöhnlich ist eine Gewinnmarge von mehr als 12'000 Prozent?
Dass der Kurs über so kurze Zeit so extrem ansteigt, ist unüblich. Im Fall von Ethereum, das im «Magazin»-Text beschrieben wird, gibt es hingegen eine einfache Erklärung: Ethereum hat die grösste Community hinter sich scharen können. Es wurde auch nicht als Währung programmiert, sondern sollte in erster Linie als Angelpunkt für verschiedene Anwendungen dienen (darunter die digitale ID der Stadt Zug, Anm.d.R.). Trotzdem wurde die digitale Währung Ether rasch zur Spekulationswährung.
Hat der Handel mit Kryptowährungen mehr mit Geschick oder mit Glück zu tun?
Zu einem grossen Teil ist der Handel mit Kryptowährungen nicht determinierbar, doch das verhält sich beim Aktienhandel beispielsweise genau gleich. Der Unterschied ist, dass Kryptowährungen rein nach den technischen Begebenheiten bewertet werden können, bei Aktien dagegen kann ich die Unternehmung selbst beurteilen. Mit Algorithmen kann man zwar systematisch Krypto-Investments machen, doch auch dies ist keine Garantie für eine hohe Gewinnausschüttung.
Würden Sie einer interessierten Person heute noch zu einem Einstieg in eine Kryptowährung raten?
Grundsätzlich ja. Man muss jedoch bedenken, dass Kryptowährungen Risikoinvestments sind und entsprechend auch ein totaler Verlust nicht auszuschliessen ist. Trotzdem bleiben Kryptowährungen ein sehr spannendes Feld. Aktuell befinden wir uns in einer Phase, in welcher der Kreis der Investoren sehr klein und überschaubar ist. Schon, wenn sich diese kleine Anzahl in den nächsten Jahren verdoppelt, wird der steigende Trend der Kryptowährungen fortbestehen.
Wie ist das Verhältnis von herkömmlichen Banken zu Kryptowährungen?
Einige Banken sind den Kryptowährungen gegenüber relativ offen, in der Schweiz gibt es eine handvoll, die dementsprechende Produkte lanciert haben. Ich gehe davon aus, dass dies in drei bis fünf Jahren zu Standardangebot vieler Banken gehören wird. Der Aufwand, in Kryptowährungen einzusteigen, ist einfach noch relativ hoch. Weder die IT-Systeme, die internen Prozesse noch die Mitarbeiter sind aktuell dafür vorbereitet.
Befinden sich Kryptowährungen in einer Blase?
Der Geschäftszweig befindet sich zwar in einem Hype. Eine Blase impliziert aber, dass diese eines Tages platzt. Im Unterschied zur Internet-Bubble im Jahr 1999 werden die Anleger bei Kryptowährungen nicht getäuscht. 1999 merkte der Markt auf einmal, dass an den ganzen Unternehmen, in die Geld gepumpt wurde, nichts dahinter ist. Kryptowährungen hingegen haben an sich keinen reellen Gegenwert und leben nur von der Community. Die Gefahr einer Bubble ist auch ziemlich gering, wenn man die Anzahl der Investoren betrachtet. In der Schweiz beträgt dies weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Auch darum haben die Regulierungsbehörden noch nicht gehandelt, da es sich noch um ein Randphänomen handelt. Das grosse Risiko wäre eine Massenpanik, dass entweder ein Grossinvestor oder viele Anleger innert kürzester Zeit grosse Summen monetarisieren und so die Kryptowährung aus dem Gleichgewicht bringen.
Der «Magazin»-Autor spricht auch von den negativen Erfahrungen, die er mit dem Kryptohandel gemacht hat: physische Stressreaktionen wie Augenzucken, Schlafstörungen, dauernde Überprüfung des Kursverlaufs, Belastung der Beziehung. Ist das die Kehrseite vom Kryptohandel?
Dies betrifft nicht nur den Handel mit Kryptowährungen, sondern Handel im Allgemeinen. Man könnte im ganzen «Magazin»-Text «Ether» durch «Gold» ersetzen, die technischen Details ändern und hätte trotzdem noch einen schlüssigen Artikel. Jede Anlage, in die Geld investiert wird und die starker Volatilität ausgesetzt wird, kann zu Stress führen. Bei Kryptowährungen kann die Angst hinzukommen, gehackt zu werden.
Tatsächlich wurde kürzlich das System des Anbieters der Digitalwährung «Tether» gehackt und 31 Millionen US-Dollar entwendet. Wie gross ist das Risiko, gehackt zu werden und sein Geld zu verlieren?
Solange eine Person nicht in die Welt hinausposaunt, welchen Betrag von welcher Kryptowährung sie besitzt, und sich an die Grundregeln des eigenen digitalen Schutzes – Cybersicherheitstools wie Firewall, Spyware – hält, ist das Risiko relativ klein.
Dieses Interview erschien erstmals am 22. November 2017 im Tages-Anzeiger.